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„Mehr Kinder und nicht mehr Kindergärten“

Veröffentlichungsdatum: 25.11.2024 - PM 2024 - 161/2024

Das könnte ein Fazit der Stadtratssitzung am vergangenen Mittwoch sein. Auf Antrag einer Fraktion stand das Thema Kindertagesstätten mit besonderem Blick auf die Kita in Demker auf der Tagesordnung. Diese kann durch die Einheitsgemeinde seit Ende September nicht mehr entsprechend den Auflagen betrieben werden. Aktuell werden die neun Kinder aus Demker in der Kita im drei Kilometer entfernten Bellingen betreut.
Bürgermeister Andreas Brohm hatte noch einmal alle Zahlen und Fakten, die in den vergangenen Monaten schon öffentlich und nicht öffentlich vorgestellt und erläutert worden sind, mitgebracht und trug diese in einer sehr engagiert geführten Diskussion sachlich vor.  

Wie viel Geburten wird es in der Zukunft geben in der Einheitsgemeinde?
Bereits im vergangenen Jahr hatte Bürgermeister Andreas Brohm, mit einem ehrgeizigen Zeitplan, die Eltern mit der Möglichkeit der Schließung der Einrichtung konfrontiert. Hauptgrund ist und war die rückläufige Auslastung und die damit einhergehenden Unsicherheiten in der Absicherung der Betreuung entsprechend den zu beachtenden Regularien. „Wir haben ehrlicherweise kommuniziert, was passieren wird und was Alternativen sind, damit die Einheitsgemeinde die Betreuung sicherstellen kann, die unseren und den Ansprüchen der Eltern gerecht wird“, so Andreas Brohm in der Stadtratssitzung.
Auf den Punkt gebracht, überfordert die Einheitsgemeinde den Betrieb einer Einrichtung mit nur neun Kindern. Durchschnittlich haben Eltern eine Entfernung zur nächsten Kita von 4,4 Kilometern. Für die Eltern aus Demker kommen nun drei Kilometer Fahrstrecke neu hinzu. 

Der Nachwuchs fehlt
Der Hauptgrund ist ganz einfach, der Nachwuchs fehlt. Allein im Bereich von Elversdorf bis Ottersburg wurden im Jahr 2023 sieben Kinder geboren, für die aktuell in der nächsten Nähe drei Tageseinrichtungen zur Verfügung stehen. Im Rathaus hat man drei Szenarien einmal durchgerechnet. Dabei wird im besten Fall von 67 Neugeborenen pro Jahr ausgegangen und im schlechtesten Fall von 45. Das ist auch die Zahl, die für diese Jahr erwartet wird. Für alle Szenarien gleich ist, dass die Einrichtungen nur noch bis 50%-70% ausgelastet ist. Das ist kein Phänomen in der Einheitsgemeinde, sondern in allen anderen Orten auch sichtbar.
„Wir reagieren auf die Faktenlage und müssen abwägen, was mit welchen Möglichkeiten umsetzbar ist.“ erklärt Andreas Brohm, sein Vorgehen und weiter, „Ich kann verstehen, dass die Eltern davon nicht begeistert sind und ich kann auch verstehen, dass die gewählten Vertreter hier sich positionieren wollen und möchte alle bitten diese Diskussion fair und respektvoll zu führen.“ So der Bürgermeister im Nachgang.  

Wie geht es weiter?
Die Kita Demker ist aktuell nicht geöffnet. Aktuell ist die Leitung ausgeschrieben worden. Das Stellenbesetzungsverfahren wird durchzuführen sein. Wann hier Entscheidungen zu erwarten sind, hängt vom Ausgang des Bewerbungsverfahrens ab.
Unabhängig von zufassenden Beschlüssen liegt die Umsetzung im Rathaus. Grundsätzlich kann im Rahmen seiner Zuständigkeit der Stadtrat alles entscheiden. Nach dem Kommunalverfassungsgesetz ist es dann die Aufgabe des Bürgermeisters zu prüfen, wie und ob der gefasste Beschluss umzusetzen ist.      

Hintergrund     
Der Stadtrat hatte den Beschluss zur Schließung der Kita in Demker nur vertagt auf seiner Sitzung am 8. November 2023.
„Wir haben mit viel Aufwand die Kita Demker zum Jahreswechsel verbessert. Ein neues Mitarbeiterteam hat die Betreuung in der Kita übernommen, und die Räume wurden malerisch aufgefrischt und das Raumkonzept dem Betreuungsbedarf angepasst. Da gab es viel Lob von den Eltern auf einer Elternversammlung im Juni.“, so Andreas Brohm im Sozialausschuss im September.
Mit Blick auf die durchschnittliche Tagesauslastung von maximal sieben Kindern kam natürlich die Frage auf, ob die Kita-Schließung immer noch Thema ist. Und natürlich stellt sich die Frage, wie viel Aufwand gerechtfertigt ist, um die Betreuung von sieben Kindern zu ermöglichen. Trotz des Überschreitens des Mindestpersonalschlüssels des Landes Sachsen-Anhalt kann, das mit der Betriebserlaubnis verankerte und gesetzlich vorgeschriebene Schutzkonzept der Einrichtung nicht immer gewahrt werden.
Die mit der Betreibung von Tageseinrichtungen verbundenen Kosten sind in den letzten Jahren extrem angestiegen. Dagegen sind rückläufige Geburtenzahlen festzustellen, die dafür sorgen, dass die Einrichtungen nicht mehr voll ausgelastet sind. Aktuell sind in den Einrichtungen der Einheitsgemeinde über 100 freie Kitaplätze verfügbar.
Im Interesse aller möchte die Einheitsgemeinde die Kinderbetreuung verlässlich gestalten. Dies ist in der aktuellen Personalsituation nicht mehr möglich. Gerade in kleinen Einrichtungen ist die Absicherung des Personalschlüssels bei Personalausfall kaum möglich. Gruppenzusammenlegungen sind in Demker ausgeschlossen, da es nur eine Kita-Gruppe gibt. 
Darüber hinaus ist die pädagogische Einschätzung zur Umsetzung des Bildungsauftrages entsprechend dem Bildungsprogramm „Bildung elementar, Bildung von Anfang an“ konträr zu den Ansprüchen der Sorgeberechtigten der betreuten Kinder in der Einrichtung. Insbesondere die Stärkung der Selbstbestimmung, die Durchsetzung in einer Gruppe mehrerer Kinder oder auch das Verständnis zur Notwendigkeit von Kompromissen in diesem Sozialgefüge ist hier kaum noch durchsetzbar.
Die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder können derzeit nicht im erforderlichen Maße vermittelt werden. Die wenigen Kinder verbleiben regelmäßig in den Rollen der Über- und Unterordnung (ich bin der Kleine, du der Große) und einige Kinder werden Schwierigkeiten haben, sich in der folgenden Grundschulzeit in den sozialen Strukturen einzufinden.
Bürgermeister Andreas Brohm erläuterte all diese Aspekte bereits mit den Eltern im Juni auf der Elternversammlung. Gemeinsam hatte man vereinbart auf den Termin, zehn Wochen später, am 2. September, um zu besprechen, wie ein strukturierter und würdiger Übergang in einer anderen Einrichtung für die Kinder, die Erzieherinnen und Eltern aussehen könnte.

„Die Einsicht in das Notwendige ist für die Betroffenen unter Umständen hart und wird für alle, und vor allem für die Kinder eine Chance sein“, so Andreas Brohm.  
Enttäuscht zeigt sich der Bürgermeister von der Art der öffentlich geführten Diskussion. „Wir hatten einen offenen und wertschätzenden Austausch zwischen Eltern, Erzieher-Team und Mitarbeitern aus dem Rathaus.“ Auch die Gremienmitglieder kennen die Herausforderungen, die mit sinkenden Geburtenraten einhergehen, allen waren die Zahlen bereits seit Anfang des Jahres bekannt. 
Die Einheitsgemeinde investiert jedes Jahr viel in die Kindertageseinrichtungen. Im Jahr 2024 zahlt die Einheitsgemeinde aus dem kommunalen Haushalt 2.600.000 Euro zur Finanzierung der Kitaplätze dazu. Durchschnittlich entstehen der Einheitsgemeinde 1.900 Euro Kosten pro Kitaplatz bei einer zehn Stunden Betreuung. In der Einrichtung in Demker sind es 2.300 Euro.

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